Die Psychoanalyse sei ein »Verfahren sui generis« schreibt Freud 1926 in seinem polemischen Aufsatz »Zur Frage der Laienanalyse«, und sie habe deshalb Anspruch auf Unabhängigkeit. Seine Polemik richtete sich gegen die Forderung, dass Psychoanalyse nur von Medizinern ausgeübt werden sollte, ein Anspruch, der seitens staatlicher Stellen erhoben wurde und vor allem von Berliner und New Yorker Psychoanalytikern in vorauseilendem Gehorsam willfährig übernommen und zum Schutze eigener Pfründe umgesetzt wurde.
Freud ist mit seiner Freiheitsliebe weitestgehend gescheitert - bis heute. Auch wenn die Mediziner durch Psychologen ergänzt oder gar ersetzt wurden: die Psychoanalyse ist gegängelt von Berufsgruppen, deren Interessen nicht im Unbewussten liegen, bestimmt von wissenschaftlichen Prägeformen, die sie im Grunde infrage stellt, und reglementiert von Gesellschafts- und Gesundheitsnormen, deren Effekte von Unbehagen bis Leid gerade im analytischen Arbeiten deutlich werden.
Eine französisch-deutsche Arbeitsgruppe von Analytikerinnen und Analytikern hat sich Freuds »Frage der Laienanalyse« wieder zugewandt, den Text neu editiert und ein Glossar zu ihm erstellt. Die Ausgabe illustriert und verteidigt die Arbeitsweisen einer Psychoanalyse, die von der Notwendigkeit ihrer Unabhängigkeit überzeugt ist. Sie fordert, dass dem Verdrängten, Verleugneten, Verworfenen, den unbewussten Phantasmen, sowie der »Not des Lebens« ein offenes und freies Ohr geliehen wird. Nur eine erfinderische und unabhängige Praxis von spielerischer Strenge und ein eigene Form von Weitergabe und Vermittlung kann dem entsprechen.
Mit Beiträgen von Edith Béguin, Marcus Coelen, Monique David-Ménard, Brigitte Gstrein, Britta Günther, Derek Humphreys, Judith Kasper, Johannes Kleinbeck, Susanne Lüdemann, Karl-Josef Pazzini, Jonathan Schmidt-Dominé, Edith Seifert und Mai Wegener.