Schuster und Schneider ist eine Erzählung von Isolde Kurz.
Auszug:
Paul Andersen war, wie so mancher junge Künstler vor ihm, auf einer Studienreise in Italien hängen geblieben und hatte niemals wieder den Rückweg nach Deutschland gefunden. Ueber seine Aussichten gab er sich selber keiner Täuschung hin, er besaß weder Vermögen, noch die nötige Protektion, um sich auf dem fremden Boden vorwärts zu bringen, auch war sein Talent und sein Selbstgefühl von dem überwältigenden Anblick der großen Alten allmählich so zusammengedrückt worden, daß er es kaum mehr wagte, den Pinsel in eigener Sache einzutauchen, sondern sich zumeist auf das Kopieren alter Bilder warf. An diese Aufgabe wandte er den ganzen Ernst und Fleiß und die unermüdliche Treue seiner tiefgründigen Natur und die Eigentümlichkeiten der alten Meister wurden ihm mit der Zeit so geläufig, daß für ein ungeübtes Auge seine Kopien von den Originalen kaum zu unterscheiden waren. Darüber ging freilich die eigene schöpferische Kraft zu Grunde und sein Interesse beschränkte sich bald ganz auf das Ausdenken technischer Kunstfertigkeiten im Behandeln der Farben und Leinwand, wodurch er seinen Arbeiten auch noch das Aussehen des Alters gab und sie den Urbildern auf Haaresbreite vollends annäherte.