Als historisches Stück über die Ermordung der ersten Ehefrau des römischen Kaisers Nero, zumal als Drama mit einem Auftritt des Philosophen Seneca, hat die im Corpus seiner Tragödien überlieferte »Octavia« stets besonderes Interesse gefunden und faszinierte Rezipienten sogar dazu verleitet, in ihr - wenn nicht ein Werk Senecas selbst - zumindest ein zeitnahes Zeugnis der Bewunderung durch einen seiner Freunde oder Schüler zu sehen. Für die Beurteilung der Intention entscheidend ist freilich die trotz aller gegenteiligen Zuversicht heutiger Interpreten nach wie vor ungeklärte Frage der Datierung, die hier nach einem ausführlichen Forschungsüberblick mit neuen, aus der Interpretation des Stückes selbst gewonnenen Überlegungen diskutiert wird. Zusätzlich behandelt ist die Frage der Klassifizierung des zeitgeschichtlichen, tragisch verlaufenden Dramas als praetexta und/oder tragoedia.