Essay aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Theologie - Vergleichende Religionswissenschaft, , Sprache: Deutsch, Abstract: Gegen religiösen Fundamentalismus kann prophylaktisch durchaus etwas getan werden, etwa in Gestalt einer Kultur des Fragens, vor allem im Bereich der Pädagogik. Fragen stellen zu dürfen, ist nicht selbstverständlich. Wo wie in fundamentalistischen Gruppen Frage- und Denkverbote herrschen, wird das Menschsein eingeschränkt. Dort schlägt Religion in Ideologie um und beginnt, unmenschlich zu werden. Frageverbote sind Denkverbote, sind Freiheitsverbote, sind Gefängnisse ohne sichtbare Gitter. Frageverbote sind Reiseverbote für das Denken. In fundamentalistischen Gruppen und Kreisen werden die Frage-Antwort-Spiele ersetzt durch Befehl-Gehorsam-Spiele. An die Stelle der sokratischen Hebammenkunst tritt die Bevormundung, die zur "Ent-Mündigung" führt: es wird einem der Mund verboten, der unbequeme Fragen stellen könnte. Befehle "von oben" sind nicht zu hinterfragen, ebensowenig wie die irrtumslosen Offenbarungen "von oben": ihnen muß man und frau blind gehorchen, ihnen ist kritiklos zu glauben. Frage-Antwort-Spiele sind jedoch ein wichtiges Merkmal nicht nur der Philosophie, sondern auch der pädagogischen Tradition der Religionen. Ein neuer Lehrer fragte seine Schüler zu Beginn des Schuljahres: "Was für einen Unterricht wünscht ihr euch von mir?" Der erste Schüler antwortete: "Befiehl mir, sag mir, was ich zu tun habe, und ich werde gehorchen oder vielleicht auch rebellieren." Der zweite Schüler sagte: "Belehre mich, und ich werde mich erinnern oder viel-leicht auch alles wieder vergessen." Ein dritter Schüler meinte: "Provoziere meine Fragen, und ich werde nachdenken und vielleicht auch eigene Antworten finden." Ein vierter Schüler antwortete leise: "Laß mich teilhaben an deinen Fragen und Antworten, und ich werde verstehen und dein Partner sein."